Birgitta Altermann
Pianistin und Musikerin
Geboren 1946. Der Vater war Pfarrer mit umfangreicher Bibliothek. Ungelesen. Die Mutter war Pfarrfrau. Gebildet. Sie las die ungelesenen Bücher ihres Mannes. Erster Klavierunterricht mit sieben Jahren bei Fräulein Gärtner. Abitur am französischen Gynasium in Berlin.
1966 – 1969 Studium an der Hochschule der Künste Berlin: Schulmusik und Klavier. Nach Abschluß des Studium arbeitete sie als klassische Pianistin, als Jazz-Pianistin in verschiedenen Bands und als Keyboarderin in einer Frauen-Rockband. Auftragskompositionen, z.B. Filmmusik zu „Mamor, Stein & Eisen bricht“.
Prompt künstlerische und persönliche Identitätskrise: „Was soll diese bürgerliche Musikkultur?“ Daher machte sie lange Reisen ins Ausland auf der Suche nach neuen Denk- und Lebensmodellen.
Seit 1984 Akkordeon
Seit 1991 elektronische Tasteninstrumente und Syntheziser
Seit 1997 Minibandoneon (Clowns-concertina)
1983 lernte sie die Schauspielerin und Autorin Lilly Walden kennen. Sie entdeckte ihr theatralisches Talent und ihre überschäumende Spiellust – je skurriler die Figur, desto lieber.
1984 in der Chaosshow „Wilde Mischung“ ihre erste Bühnenrolle als die heimlich trinkende Pianistin Fräulein Bachmann vom Künstlerdienst. Seither produzierte sie für die Wilde Mischung Musik und Arrangements für elf Theaterstücke. Alle ihre eigenen Rollen sind mit dem Klavier verbunden. Mit Musik drückt sie das über die Figuren aus, was sich mit Worten nicht sagen läßt.
1987 „Maria Stuart – schriller als Schiller“ (Rolle: Elisabeth I.)
1989 „Die Lust der Klara Fall“, erstes Solostück
1991 „Für Gold mach ich alles“
1992 Musik zu „Kunscht der Liebe“, in Zusammenarbeit mit Peter Kuhz
1994 „Biß zum Erfolg“ (Rolle: Chefin der Argentur Freudenträne)
1996 „Gewöhnliche Kriminelle und gestreifte Trinker" (Rollen: Suchtexpertin, Platon, Franz Liszt)
1998 Solostück „Concerto Paletti“, Stück über und mit Musikartistik
2001 Solostück “Vergessene Duelle – Clara Schumann demontiert ihre Legende"
2003 Musik zu „Taffe Mütter – Coole Töchter“
2004 Solostück „Madonna out of Bingen – Frauen in 900 Jahren Musikgeschichte"
2005 Musik zu „Oh mein Gott“
Immer wieder als Gast in Wiener Theaterproduktionen:
u.a. Ensemblemitglied bei dem Stück „Beute“ von und mit Miki Malör. (Dafür a Capella Arrangements der Lieder aus „Die schöne Müllerin“ von Franz Schubert.) Als Akkordeonistin musikalische Begleitung in „Harringer Texte“ mit Hubert Kramar.
Im Kosmos Theater Wien Mitwirkung in:
„Die Mutter, die es nicht gab“,
„Lotte Langtrumpf“ (Pipi Langstrumpf)
“Female Comedy Night”.
Birgitta Altermann ist ausgezeichnet mit dem Deutschen Kleinkunstpreis.
Wie ich die wurde, die ich bin
Mit 3 Jahren saß ich unter, mit 4 Jahren vor dem Flügel. Von da an galt ich als begabt, und es begann eine lebenslange Neigung und Affinität zur Schönheit von Tönen. Seit meiner Kindheit verbrachte ich unzählige vergnügliche Stunden an den Tasten. Erst spielte ich mich durch die Größen der sogenannten ernsten Musik - immer nach Noten, versteht sich.
Irgendwann jedoch regte sich Zweifel: Während meines Musikstudiums wurde mir die “ernste“ Musik bisweilen gar zu ernst und die Sehnsucht nach Leichtigkeit wuchs. Auch die Sehnsucht danach, mal das spielen zu können, was ich um mich herum und vor allem in mir hörte – fernab von Noten und Diktaten. Ich begann also mit einer Art Selbstausbildung – wozu schließlich hatte ich Ohren? Ich versuchte also mein Gehör zu trainieren, indem ich die Musik von Schallplatten nachspielte oder was ich so im Radio gehört hatte. Indem ich nach Leichtigkeit an den Tasten suchte, trainierte ich eigentlich meinen Ausdruck, meine Sprache – und spielte erstmal überhaupt nichts mehr nach Noten, versteht sich.
Wieder galt ich als begabt.
Doch die ersehnte Leichtigkeit wurde gestört – immer wieder gab´s da Zweifel an den Tasten: Wohin mit den Verboten bürgerlicher Ambitionen, wohin mit Adorno, wohin mit der „ernsten“ Musik? Was soll Musik überhaupt? 1000 Fragen umzingelten mich. „Was machst du da?“ „Wer will das hören?“ „Wozu?“ Ich bin ja ein schütterer Nachkriegsjahrgang – das bedeutet: wenn es über längere Zeit wenig und nur die einfachsten Grundnahrungsmittel zu essen gibt, dann magern die Kinder des Wohlstandes ab. Nicht so ich, der schüttere Nachkriegsjahrgang. Diese Zähigkeit und Überlebenstaktik gaben mir eine gewisse Sicherheit. Und mit dieser Sicherheit begab ich mich nun mit kleinem Gepäck und leichtem Portemonnaie auf lange Reisen.
Auf einer dieser Reisen traf ich Lilly Walden, sie war auf der Suche nach einer Pianistin für eine Show. Sie legte ein Foto aufs Notenpult. „Kannst du das Foto bitte mal auf dem Klavier spielen?“ Ich spielte, was ich sah, und Lilly Walden hörte zum erstenmal ein Foto klingen. Sie war begeistert. Dann stellte sie ein Aufnahmegerät an, gab mir und sich je eine Rolle, und wir improvisierten eine Szene. So etwas hatte ich noch nie gemacht, aber es machte mir ungeheuren Spaß.
Wieder galt ich als begabt, mit mittlerweile 38. Lilly Walden: “Ich finde, wir sollten miteinander arbeiten.“ Wir entwickelten zusammen die Chaosshow „Wilde Mischung“ und spielten sie viele hundert Male. Mit meiner musikalischen Sprache habe ich viele Rollen und Figuren reich und sinnlich ausgestattet. Alle mit einer Mischung aus Leichtigkeit und Sehnsucht, Skurrilität und Schönheit.
Und meine Lieblingsrolle Klara Fall singt:
„Lachen Sie laut und im falschen Moment!
Heulen Sie laut und zur richtigen Zeit!“